Die Vorbereitungsphase

Was zieht euch denn schon wieder nach Russland? Und warum immer in diese entlegenen Gegenden? Diese, und ähnliche Fragen werden uns oftmals gestellt. Eine Antwort darauf lässt sich nicht in einem Satz formulieren. Es sind viele Dinge, die uns trotz mangelhafter Russischkenntnisse, in dieses Land ziehen.
Zum einen sind das die Erlebnisse auf unseren bisherigen Reisen. Allem voran, die kaum zu beschreibende Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft der Menschen, die wir getroffen haben. Etwas Abenteuerlust, gepaart mit dem Reiz sich auf noch nicht ausgetretenen Touristenpfaden zu bewegen, ist auch dabei. Genauso wie die Bereitschaft sich immer wieder auf neue, überraschende Situationen einzustellen. Und solche Situationen sind in Russland nicht gerade selten. Das Interesse an der Geschichte der jeweiligen Region ist für uns selbstverständlich. Kurz gesagt: für Jürgen ist es die fünfte, für Charly und mich bereits die sechste Reise nach Russland.

Während der Vorbereitungen zu unserer letzten Russlandreise nach Jakutien und Magadan Oblast im letzten Jahr, wurde die Polarbahn von Charly schon mal beiläufig erwähnt. Da Norwegen auch diesmal unserer Erwartungshaltung nicht genügen kann und auch Jürgens Vorschlag einer (über drei Jahre verteilten) Autotour von Moskau nach Magadan keine Mehrheit findet, rückt die auch als Stalinbahn bekannte Eisenbahnlinie in Nordwest-Sibirien in den Mittelpunkt unseres Interesses. Vorausgesetzt natürlich wir bekommen ein Visa für diese Region am Polarkreis. In der Gegend wird Gas gefördert und daher ist dies noch mit einem kleinen Fragezeichen versehen.

Die Stalinbahn sollte Salechard am Ob mit Igarka am Jenissej verbinden – insgesamt 1300 Kilometer.
400 Kilometer wurden von 1949 bis 1953 mehr oder weniger fertiggestellt. Nach Stalins Tod im Jahr 1953 wurde der Bau eingestellt. Das 330 Kilometer lange Teilstück mit der Projektnummer "501" von Salechard nach Nadym ist unser Ziel.
(ausführliche Infos: siehe Geschichte der Polarbahn)

Zunächst versuchen wir herauszubekommen ob es möglich ist, in der uns zur Verfügung stehenden Zeit von Salechard nach Nadym zu gelangen. Salechard und Nadym haben beide einen Flughafen und die 330 Kilometer sollten in 12 Tagen doch zu schaffen sein – denken wir! Wir beschließen möglichst viele Informationsquellen anzuzapfen. Einen ausgearbeiteten Fragenkatalog fügen wir unseren E-mails nach Nadym, Salechard und Novy Urengoi bei. Fragen, ob es möglich ist die Strecke mit dem Mountainbike zu bewältigen oder wie hoch die Fließgeschwindigkeit des parallel zur Eisenbahntrasse verlaufenden Flusses Poluy ist, wollen wir beantwortet haben.

Wir erhalten auch einige Antworten, aber wirklich brauchbare Infos sind nicht darunter. Die ergiebigsten Quellen sind wieder die altbekannten:
Von unserer Lena aus Moskau bekommen wir wertvolle Hinweise auf Übersetzungsprogramme im Internet, die Info, wie wir am schnellsten von Scheremetjewo 2 nach Domodedovo kommen sowie einige interessante Fakten über unser Zielgebiet.
Nicholas Zvegintsov, der Mitautor des Siberian BAM-Guide, beantwortet gleich eine ganze Reihe unserer Fragen. Zwar war auch er noch nicht in dieser Gegend, aber seine profunden Kenntnisse helfen uns doch sehr. Auch seinen Rat: "Everything has to be checked in the real world" werden wir zwangsläufig beherzigen. Wo er recht hat, hat er recht! Zusätzlich gibt er uns den Tip, sich mit Johannes Glöckner, einem Deutschen Fernsehjournalisten, in Verbindung zu setzten. Er plane wohl auch eine Reise in diese Gegend, genaueres wisse er aber nicht. Wir sollen ihn auf jeden Fall per E-mail kontaktieren.
Johannes Glöckner ist Journalist beim WDR in Dortmund und ein Kenner der russischen Eisenbahnlinien. Von ihm erhalten wir Informationen über die Geschichte der Stalinbahn sowie einige neue Internetadressen. Da er auch an unserer Reise interessiert ist, vereinbaren wir, uns nach unserer Rückkehr nochmals zu unterhalten.

Die Visa bekommen wir problemlos. Die Buchung der Flüge gestaltet sich wider Erwarten schwierig; und das obwohl wir, was die Flugroute betrifft, relativ flexibel sind. Flexibel heißt: Wir wissen nicht wie die Strecke zwischen Salechard und Nadym aussieht – ob es eine zumindest teilweise befahrbare Straße im Sommer gibt oder eine Bootsverbindung auf dem Poluy. Trotzdem ist unsere (vielleicht zu naive) Einstellung immer noch die: Irgendwie werden wir die 330 Kilometer schon bewältigen!

Da auch die Eisenbahnvariante Moskau – Labitnangi (liegt am Ob gegenüber von Salechard) von mir trotz mehrerer Anrufe und E-mails in Moskau nicht zu buchen ist (alles voll um diese Zeit), kommt letztlich das Angebot des Reisebüros LB Travel in Neuß zum Zuge. In enger Abstimmung mit Jürgen (Charly ist mit Fernanda auf einem Familientreffen in Mosambik und wir haben volle Handlungsfreiheit) entscheiden wir uns für folgende Flüge:
Von Moskau nach Novy Urengoi und zurück von Nadym nach Moskau. Da sind wir zumindest auf der sicheren Seite. Von Novy Urengoi nach Nadym gibt es eine Straße und eventuell gar eine Eisenbahnverbindung. Dank hier an Frau Szwarc von LB Travel für die sehr kompetente Unterstützung! Werden uns nach unserer Rückkehr auf jeden Fall bei Ihr melden; allein schon deshalb, weil Sie auch an unseren Reisebeschreibungen im Internet interessiert ist.

Nun leider zu dem weniger erfreulichen Kapitel im Rahmen unserer diesjährigen Reiseplanung! Ich mache es kurz: Volker fährt nicht mit! Es gibt eine ganze Reihe privater und auch beruflicher Gründe. Hier nur soviel: Es ist schade, dass er nicht dabei sein kann!

Nach der Rückkehr aus Afrika stürzt sich Charly mit Macht in die letzten Vorbereitungen. Er kontaktiert Lena zwecks eines Treffens in Moskau und gräbt noch einige interessante Internetseiten aus. Unter anderem einen Stadtplan von Nadym, auf dem sogar die Öffnungszeiten der Magazine angegeben sind. Unsere Vorbereitungen überschatten zwei nahezu zeitgleiche Flugzeugabstürze am 25. August in Russland und ein Anschlag auf eine Moskauer Metrostation – sämtlich Bombenanschläge extremistischer Tschetschenen. Die Geiselnahme in einer Schule in Beslan/Nord-Ossetien am 1. September, dem traditionell ersten Schultag in Russland, ist der schreckliche Höhepunkt dieser Kette.

Am 27. August treffen wir uns bei Brinkmanns um die Details abzustimmen. Es gibt zwar keine wesentlichen Dinge mehr zu besprechen, doch aus alter Tradition heraus ist ein solches Treffen immer amüsant.

Übersicht des Reiseverlaufs!


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