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Mittwoch, 8. September 2004

Heute geht es los! Die letzten Kleinigkeiten verstauen wir im Rucksack. Mit der Zange zerkleinern wir einige Stücke Würfelzucker und füllen den Grusel in eine Pillendose. Zu den 20 kg für den Buckel kommen noch etwa 2 kg im Daypack. Um 09:30 Uhr steht ein Taxi vor der Tür. Wir müssen Maria versprechen uns sofort zu melden wenn wir wieder da sind. Ihre fürsorgliche Art erinnert uns an Lydia, mit der wir vor 13 Jahren durch Norilsk marschiert sind.
Unsere Mutmaßungen, wieweit die Piste nach Westen zu befahren ist, reichen von 20 bis 53 Kilometer (bei Kilometer 53 ist ein großer Fluss und dort ist spätestens Feierabend). Aber Pustekuchen, nach exakt 12 Kilometern ist bereits Schluss. Auch ein Geländewagen käme nicht mehr weiter! Wir zahlen dem Fahrer 300 Rubel und dann sind wir endlich in der Wildnis.
Entspannte, erwartungsfrohe Minen auf den Gesichtern. Endlich keine Übernachtung mehr in einem hängemattenartigen Bett. Die Eisenbahntrasse und auch die ersten Schwellen sind zu erkennen. Die Sachen für das Depot müssen wir jetzt zwangsläufig noch einige Kilometer mitschleppen.
startpis.jpg (44854 Byte) Erleichterung auf den Gesichtern: Endlich auf der Piste!

Das Daypack schnallen wir vor den Bauch. Da wir jederzeit mit Regen rechnen müssen, probieren wir schon mal die Regenkluft an. Jürgen zwängt sein Daypack unter sein Eduschojäckchen – sitzt echt spack aber der Sack bleibt trocken! Als er dann noch die Kapuze aufzieht sieht er aus wie ein Teletubby. Charly hadert mit seinem Poncho, einem Werbegeschenk der Firma WIG. Das Plastik ist brüchig wie alter Papyrus. "Tja, reklamieren kannst du den nicht mehr, der Laden ist pleite," werfe ich ein! Ich vertraue darauf, dass meine Goretex-Jacke dicht ist und verzichte auf jegliche Verkleidung. Dann zurren wir gutgelaunt die Beckengurte fest und los geht’s!
Nach einigen hundert Metern laufen wir auf dem Schienenstrang. Die Holzschwellen sind größtenteils vermodert – unzählige Schwellennägel und Schwellenplatten liegen überall herum. Die Gleise sind nahezu durchgehend vorhanden. Gleiches kann man von der Telefonleitung 15 Meter rechts des Gleises nicht behaupten. Die meisten Holzmasten hat die Tundra verschlungen, oder sie sind in Wasserspiegelhöhe derart angefault, dass der Mast abgebrochen ist. Einige Traversen mit Isolatoren ragen noch aus dem Sumpf.

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12 Kilometer westlich von Nadym beginnen die Schienen. Die Trasse ist noch deutlich erkennbar, was man von der rechts des Bahndamms verlaufenden Telefonleitung nicht mehr sagen kann.

 

Nach knapp anderthalb Kilometern erreichen wir die erste Brücke. Wir müssen entscheiden ob wir darüber laufen oder unten durch den Sumpf waten. Nach der Inspektion der Unterkonstruktion entscheiden wir uns  die Brücke zu überqueren. Vorsichtig, mit bedächtigen Schritten, gehen wir über die alte Holzkonstruktion.

Der Schienenstrang ist teilweise komplett mit kleinen Bäumen, Blaubeersträuchern, Moosen und Flechten zugewuchert. Ab und zu stehen oberarmdicke Bäume auf, oder direkt neben dem Gleis. Charly ist drauf und dran seine Säge auszupacken um einen zu fällen. Er möchte die Jahresringe zählen, um herauszufinden wie lange hier kein Zug mehr gefahren ist.

Zwei Stunden später rasten wir erstmals unter einer noch fast intakten Holzbrücke. Nach unserer Rechnung haben wir gut 6 Kilometer zurückgelegt. Außer einem kurzen Schauer ist es bislang trocken geblieben. Bei einem Stück Brot, einem Apfel und etwas Cola lassen wir den Blick in die Tundra schweifen. Die Landschaft ist flach – nur ab und zu gibt es ein paar wellige Hügel. Dort sind die Bäume – auch hier fast ausnahmslos Birken und Lärchen – zahlreicher und auch größer. Das Laub der Birken schimmert teilweise rötlich. Der geschulte Blick verrät weiterhin: Auch hier ist die Blaubeersaison noch nicht zu Ende!
Beim Anblick der ersten Schwellennägel denken wir an Volker. Würde ihm sicher gefallen diese Strecke. Auf dem Rückweg nehmen wir ihm ein paar Nägel mit. Nach weiteren drei Kilometern animiert uns ein noch stehender Signalmast hier unser Depot anzulegen. Die 5-Liter Wasserflasche macht die Arme langsam lang. Wie geplant deponieren wir zwei Dosen Bohnen, fünf Liter Wasser, drei Dosen Cola und eine Gasflasche etwas abseits der Gleise in der Tundra.

Der allgegenwärtige Sumpf macht es im Sommer unmöglich durch die Tundra zu marschieren. Dazu verderben einem Milliarden von Steckmücken jeglichen Spaß. Selbst in der Stadt Nadym soll es im Juli so schlimm sein, dass jeder dem es irgendwie möglich ist, die Stadt in diesem Monat verlässt. Auf dem sandigen Bahndamm kommt man jedoch auch im Sommer gut voran. Im Winter sind die 330 km von Nadym bis Salechard auf einer Art "Straße" auf gefrorenem Buschwerk zu bewältigen.

Bei einigen Brücken müssen wir überlegen, bevor wir sie überqueren. Was macht man beispielsweise, wenn nur zwei rostige Schienen 10 bis 15 Meter auf die 4 bis 5 Meter hohe Brückenkonstruktion führen?
Nicht jeder hat ein solches Gleichgewichtsgefühl wie Jürgen, der sofort Anstalten macht die Strecke auf einer Schiene balancierend zu überwinden. Unter ihm nur alte Balken und Matsch.
"Ne Jürgen, lass mal – klar würdest Du das schaffen, wissen wir – aber es muss ja nicht sein!" Unsere Devise: Kein unnötiges Risiko und keine Experimente!
Wenn Du abschmierst rammt dich dein 20 Kilo-Sack erst so richtig in den Sumpf.

 

Getreu dem Motto "Not macht erfinderisch", kommt mir eine andere Überquerungsmethode in den Sinn: Die Hände an die eine und die Beine an die andere Schiene – und dann seitlich fortbewegen. Eine recht sichere Art solche Passagen zu überwinden. Man muss lediglich den Rucksack ordentlich festschnallen damit er nicht seitlich wegkippt. Mit dieser sogenannten "Affennummer" sollten wir denn auch noch mehrere luftige Gleise überqueren.
Affennummer Bild vergrößert darstellen!

Die "Affennummer" ist eine recht sichere Methode "luftige Gleise" trockenen Fußes zu überwinden

Das Wetter wird immer schlechter: Nieselregen und Wind! Meter für Meter – teils auf den alten Schwellen, teils dem schmalen sandigen Trampelpfad direkt daneben – laufen wir Richtung Westen. Die unzähligen Spuren im Sand identifizieren wir in der Mehrzahl als Rentierspuren. Überall auch frische Rentierlosung; doch die Tiere haben wir bisher nicht gesehen.
Wir treffen auf eine alte Draisine ohne Achsen. Charly merkt an, dass wir bisher kein Stück Gleis gesehen haben auf dem wir dieses Gefährt auch nur ein paar hundert Meter hätten nutzen können. Kurze Zeit später erkennen wir in etwa 300 m Entfernung eine Ansammlung mehrerer Zelte: Ein Sommerlager der Nentzen. Die Ureinwohner dieser Gegend leben von der Rentierzucht. Dann sehen wir doch die ersten Rentiere – eine kleine Herde. Als sie uns gewahr werden, verschwinden sie schnell im lichten Wald.

zwei.jpg (18249 Byte) Wir sind froh direkt neben dem Gleis einen halbwegs ebenen Zeltplatz gefunden zu haben. Der Nudelbrei schmeckt trotz Nieselregen köstlich!
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Ab 17:30 Uhr halten wir nach einem geeigneten Zeltplatz Ausschau. Entscheiden uns notgedrungen dafür, direkt neben den Gleisen zu übernachten. Nirgendwo sonst ist eine plane Fläche zu finden. Mit einer Schwellenplatte ebnen wir die Zeltfläche ein. Insgesamt haben wir nach unserer Rechnung heute 20 km geschafft. Befinden uns demnach ungefähr bei Kilometer 32 von Nadym aus. Nicht schlecht für den ersten Tag.
Eine kurze Regenpause nutzen wir sofort und platzieren die Kochutensilien auf den Schienen. Es gibt Nudeln mit Tomatensauce und angebratenen Zwiebeln. Klingt gut – betrachtet man jedoch das Ergebnis – muss man schon Appetit haben. Also zu Hause würden das nicht mal unsere Hunde fressen, so Jürgen sinngemäß. Nachdem das gesamte Wasser verdampft ist, verfeinern wir den übrig gebliebenen Nudelkuchen mit der Sauce. Das Rühren erfordert aufgrund der Konsistenz der Masse einen gewissen Kraftaufwand; dagegen besteht keine Gefahr etwas zu verschütten. Den Topf mit dem warmen, zähen Brei leeren wir in Rekordzeit! Und was soll ich sagen – es schmeckt köstlich! Logisch bei dem Wetter. Ein guter Schluck Wodka rundet das 5-Sterne-Menü ab.
Kurz nach neun liegen wir im Zelt. Die großen Rucksäcke liegen abgedeckt auf den Schwellen, da sie nicht mehr in unser Zelt passen.

Donnerstag, 9. September 2004

Halb acht! Als ich aus dem Zelt krieche sehe ich in etwa 200 m Entfernung eine kleine Rentierherde. Unser heutiges Tagesziel ist schon erwähnter Fluss bei Kilometer 53.
Es ist klamm im Zelt! Kein Wunder, denn sämtliche nassen Sachen (Hosen, Socken, Jacken) haben wir mit ins Zelt genommen. Die Jungs klagen über nasse Schuhe! Meine sind noch erstaunlich trocken. Das nasse Zelt stopfen wir in den Rucksack. Bevor wir etwas frühstücken und Tee kochen, ist warmlaufen angesagt. Es ist heute windiger als gestern, dafür regnet es aber nicht. Auf der Strecke finden wir jetzt kleine Kilometerschilder. Unsere gestrige Rechnung 20 km geschafft zu haben stimmt fast genau. Nach einer Stunde kochen wir Tee.

Wir laufen durch offene Tundralandschaft. Jede kleine Baumgruppe in der Nähe des Gleises ist willkommen, da die Bäume den Wind wenigstens etwas abhalten.

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Es gehört schon eine gewisse Überwindung dazu sich morgens in die klammen Stiefel zu zwängen Alle müssen dem allgegenwärtigen Wind trotzen

Nach anderthalb Stunden kommen wir an eine Brücke, die wir mit der schon beschriebenen Methode  "Affennummer" überqueren. Jürgen kann es nicht lassen, auch andere Arten der Überquerung auszuprobieren. Besonders wenn nur eine Schiene vorhanden ist, hilft ihm sein ausgeprägter Gleichgewichtssinn. Ist die Strecke nur ein paar Meter lang und die Schiene nicht allzu hoch, balanciert er auf die andere Seite. Ist die Strecke etwas länger hockt er sich wie ein Hase auf eine Schiene und "hoppelt" quasi hinüber. Charly und ich suchen in diesen Fällen wenn irgend möglich einen halbwegs trockenen Weg durch den Sumpf.

Fast parallel zu den Schienen verläuft hier die Winterstraße. Es ist eine andere Art Winterstraße als jene, die uns bereits bekannt sind. So ist z. B. der Kolyma-Highway auch eine Winterstraße; aber nur deswegen weil es keine Brücken mehr gibt und die Flüsse zugefroren sein müssen um die Strecke zu befahren. Der  Schotterbelag ist in Ordnung. Hier in der Tundra ist das anders. Die Straße ist zwar daran zu erkennen, dass die Oberfläche gerade ist und keine Bäume auf ihr wachsen, einen Straßenbelag gibt es aber nicht. Es ist der gleiche Sumpf und es wächst das gleiche Moos wie überall. Um vorwärts zu kommen muss sie einfach gefroren sein. Im Sommer sieht so ein Verkehrsschild in der Tundra in unseren Augen irgendwie komisch aus.

winterst.jpg (15658 Byte) Sieht schon merkwürdig aus so ein Verkehrsschild in der Tundra. Die Winterstraße verläuft zum Teil parallel zu den Gleisen.

Blaubeeren gibt es in dieser Jahreszeit zu unserer Freude noch im Überfluss.

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Eine Pause für dringende Geschäfte nutzen wir auch für eine kleine Blaubeerzwischenmahlzeit. Die kleinen Sträucher hängen voller Beeren, die jedoch leicht abfallen wenn man sie berührt (die Saison nähert sich dem Ende). Die Strecke verläuft schnurgerade. Vor uns fliegen immer wieder Scharen von Schneehühnern auf.

Dann stoßen wir wieder auf eine Brücke mit einer langen "Affenschaukel". Und mitten auf dieser Affenschaukel steht in etwa 6 Metern Höhe auf abschüssigem Gleis – man glaubt es kaum – eine Draisine! Sieht noch absolut fahrtüchtig aus. Ein wahrlich luftiges Gefährt. Aber gerade dieses Gefährt versagt es uns, hier unsere bekannte Überquerungstechnik anzuwenden. Nicht auszudenken wenn das Ding abstürzt oder durch das Schwingen der Schienen losrollen würde. Die Idee ein spektakuläres Foto "Jürgen auf der Draisine" zu machen legen wir schnell ad acta.

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Sieht doch noch fahrtüchtig aus – oder? Nicht immer geht es trockenen Fußes ab

Entweder waten wir durch den Sumpf oder wir versuchen innerhalb der Holzkonstruktion trockenen Fußes auf die andere Seite zu gelangen. Jürgen und ich erkunden zunächst ohne Gepäck einen möglichen Weg. Mit den Rucksäcken auf dem Rücken ist es nicht möglich – also bugsieren wir unsere Sachen in einer Art Dreierkette durch die Balken. Das klappt auch ohne nennenswerte Schwierigkeiten.Charly mahnt in solchen Situationen an, immer auf die Sicherheit zu achten. Gut, mittlerweile hat auch Jürgen kapiert, dass er für eine zirkusreife Balancenummer auf einer Schiene hier kein Publikum hat. Zudem gibt es für den – wenn auch unwahrscheinlichen Fall eines Fehltritts – weder Gips noch Tragen.

Das heutige Ziel – Kilometer 53 – gibt zu allerlei Spekulationen Anlass. Im Internet haben wir gelesen, dass dort zwei Menschen leben sollen. "Vielleicht gibt es dort ja eine Banja", so Jürgen. Ein Boot, das uns über den  Fluss bringt, wäre auch nicht schlecht. Als wir uns Kilometer 53 nähern sehen wir immer mehr Schrott und Abfall neben den Gleisen.
Auf einem freien, sandigen und ebenen Feld stehen einige Holzhütten und auch zwei Wohntonnen. Vor zwei Hütten sind Holzscheite aufgestapelt und eine davon sieht aus als wäre sie bewohnt. Auf unser Rufen erhalten wir keine Antwort. Die Schienen enden abrupt von einer sandigen Steilkante. Aus etwa 12 Metern Höhe blicken wir auf den Fluss. Erst einmal Ende Gelände! Als wir unsere Rucksäcke abgelegt haben und uns einen Wodka auf die heutige Tagesetappe von 22 Kilometern genehmigen wollen, hören wir Hundegebell.
Kurze Zeit später stürzen zwei Hunde auf uns zu. Ein großer Schwarzer und ein kleinerer Weissbrauner. Die Begrüßung verläuft freundschaftlich. Die sind an Menschen gewöhnt, sagt Jürgen. Und wirklich, kurze Zeit später taucht ein Mann mit Gewehr, Gummistiefeln und Wollmütze auf. Nach der Begrüßung deutet er uns mitzukommen. Wir lassen die Rucksäcke liegen und marschieren mit ihm.
Vor seiner Hütte stehen ein niedriger Tisch, eine Art Autositzbank und zwei Holzhocker. Der Jäger füllt einen Topf mit Regenwasser aus einer Tonne und setzt ihn auf eine Eisenkonstruktion am Boden. Danach macht er sich an einem archaisch aussehenden Benzinbrenner zu schaffen. Nach 2-minütiger Vorwärmphase dreht er an der Düse und das Ding beginnt ordentlich zu fauchen. Er steckt die Flamme in eine runde Öffnung der Eisenkonstruktion. Die Flamme wird darin optimal auf den Topfboden umgelenkt. Beeindruckend, aber nichts für uns; nicht zu schleppen so ein Teil!

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Russische Gastfreundschaft in der Einöde: Tee und Trockenfisch bei Andrej

 

Derweil holen Charly und Jürgen Tee und die Becher aus den Rucksäcken. Ich freunde mich zwischenzeitlich mit den Hunden an. Vor allem der kleinere ist geradezu aus dem Häuschen. Er freut sich sichtlich über die Abwechslung. Die mausgraue Katze beobachtet das Treiben dagegen in aller Ruhe. Als die beiden zurückkommen legt unser Freund den Tisch mit Papier aus. Darauf legt er ein großes Messer und zwei Fische (einen geräucherten von fester Konsistenz und einen rohen). Wir trinken Tee und probieren den Fisch. Der geräucherte schmeckt ausgezeichnet – von dem rohen probiere nur ich ein Stück.

Mit gestenreicher Körpersprache versuchen wir unsere mangelhaften Russischkenntnisse wenigstens halbwegs auszugleichen. Unser Gastgeber heisst Andrej und ist derzeit der einzige Mensch der hier lebt. Er besitzt auch ein Boot (russ: lodka) soviel verstehen wir schon. Und das er uns morgen über den Fluss rudern soll ist auch schnell geklärt. Als wir mit dem Tee und dem Fisch fertig sind (die Tiere bekommen jeweils auch ein Stück), machen wir Anstalten unser Zelt aufzubauen. Daraufhin deutet Andrej auf eine der beiden Wohntonnen in der wir übernachten können. Das nasse Zelt im Rucksack, überlegen wir nicht zweimal und ziehen in die Tonne. Also die Leute, die hier mit uns übernachten würden, können wir an einer Hand abzählen.

tonnenau.jpg (36739 Byte) Das Angebot von Andrej können wir einfach nicht ablehnen: Eine eigene Wohntonne - wahrlich der reinste Luxus!

Das Innere der Tonne ist – sagen wir es einmal so – etwas schmierig und unaufgeräumt! Aber wir nehmen die Röhre! Es gibt drei Betten – besser gesagt Hängematten – auf denen wir unsere Schlafsäcke ausrollen. Auch ein Ofen ist vorhanden. Charly überlegt ernsthaft ihn anzuheizen. Nur die Tatsache, dass er komplett mit allem möglichen Müll gefüllt ist, hält uns davon ab. In der Umgebung der Holzhütten und Wohntonnen liegt aller nur erdenklicher Unrat. Von leeren Wodkaflaschen bis zu alten LKW-Reifen findet sich alles.

Der Abendspaziergang führt uns zu einem nahegelegenen etwa 30 Meter hohen Holzturm. Wir vermuten er diente früher als Wachturm. Die Umgebung lässt auch darauf schließen. Auf einer größeren Fläche sind hier Bäume gefällt worden und es gibt etwa sechs parallele Gleise. Die auf den Turm führenden Holzleitern sehen arg marode aus; ihn zu besteigen erübrigt sich daher. Der weissbraune Hund weicht uns während des gesamten Spaziergangs nicht von der Seite.

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Der vermeintliche Wachturm ist ein Signalturm, wie uns Andrej am nächsten Tag erklärt! Sofort entfaltet sich eine heimelige Atmosphäre in der "Tonne"

Wieder in der Tonne schichten wir einige Ziegelsteine auf dem Herd auf, so dass unser Brenner unter den Topf passt. Angebratener Speck und eine mexikanische Fertigmahlzeit. Zumindest die Konsistenz des Topfinhalts ist mit dem von gestern nicht zu vergleichen: Bei weitem nicht so zähflüssig! Ein Wodka bei Kerzenlicht rundet den Tag ab. Morgen steht die Flussüberquerung und eine Etappe mit kleinem Gepäck auf dem Programm. Ziel ist eine etwa 12 Kilometer entfernte Gasstation von Gasprom. Charly verarztet seine Blasen am Fuß. Nichts Ernstes wie es aussieht! Bei Kerzenlicht schreibe ich noch ein paar Zeilen und hänge das Zelt zum trocknen auf. Dann krieche auch ich in den Schlafsack.

 


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