Sonntag, 8. September 2002
Reger Handel im Transsib | Russisch-Mongische Grenze
Um sieben Uhr sind
wir wieder wohl ausgeruht auf dem Bahnhof von Slyudanka. Es sieht nach Regen aus. Der Zug
Moskau-Peking kommt aus uns nicht näher bekannten Gründen 2 Stunden später hier an als
planmäßig vorgesehen. Zeit genug um auf dem Bahnsteig zu frühstücken. Ich glaube, es lag an Jürgen Vitamintrunk auf nüchternen Magen.
Jedenfalls musste ich mir schnell die Rolle aus dem Rucksack holen und in Richtung
Bahnhofsklo eilen. Die schaurigen Schilderungen meiner schon dort gewesenen Mitreisenden
im Ohr. Oh ja! Es ist noch schlimmer. Mir ist es ja vollkommen egal, dass weder eine Tür
noch ein Vorhang das Örtchender Verrichtung abschottet halt die Tatsache des
Sehens und Gesehen werden war mir in diesem Moment vollkommen gleichgültig, wenn
ja wenn denn nur ein Plätzchen frei gewesen wäre.
Jeweils zu zweit bekommen wir von der hübschen Waggon-Hostess unterschiedliche Abteile zugewiesen. Jetzt müssen einige Rubel rollen, beschließt Volker und hält der Hostess einen 100 Rubelschein unter die Nase! Am freundlichen Lächeln erkennen wir die Wirkung. Kaum zwei Minuten später sitzen wir zusammen in einem Viererabteil. Die schlechte Luft im Abteil die Heizung lässt sich nicht abstellen und das regnerische Wetter machen es schwer, die Augen aufzuhalten. Ne Ne, so unsere einhellige Meinung: Mit der Transsib von Moskau nach Peking das ist wohl doch nicht das Richtige für uns! |
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Volker und ich raffen uns als
Erste auf und setzen uns in den Speisewagen. Hier
hat man Sicht nach allen Seiten und kann beobachten, wer und was alles so durch die Gänge
zieht. Interessant und kurzweilig ist es allemal: Zwei Chinesen tragen mehrere Paletten
Haargel und Deo aus der anderen Richtung rollen 2 Trolleywägelchen mit
Getränkedosen vorbei! Ein großer Sack mit Stiefeln wälzt sich durch den Gang. Wie die
Blattschneideameisen auf ihrer Urwaldstraße werden Stiefel, Schuhe, Seife,
Toilettenartikel, Getränke und Kabelringe scheinbar ziellos durch den Zug transportiert.
Doch es muss ein gewisses System dahinterstecken schließlich geschieht das nicht
zum ersten Mal. Wahrscheinlich muss bis zur Grenze alles akribisch verteilt sein. Wird
einer mit 3 Paletten Haargel angetroffen, wird wahrscheinlich eine Palette von den
Zöllnern konfisziert eine Palette Gel, eine Palette Seife und ein paar Stiefelchen
njet problem! Oder so ähnlich. Bei Tee, Kaffee und etwas Gebäck verfolgen wir
genüßlich das Treiben. Das Essen sieht ganz passabel aus, sage ich zu Volker, als die
Holländer am Nebentisch gerade auffahren lassen. Ich kann Siggi (der voriges Jahr mit der
Transsib von Moskau bis Peking gefahren ist) gar nicht verstehen, dass er so auf das Essen
geschimpft hat. Er hat sich auf der ganzen Fahrt fast ausschließlich auf den Bahnhöfen
verköstigt. Er erzählte uns von einem schmierig aussehenden Mitreisenden, der sich
später als der Chefkoch entpuppte. So gesehen ist seine Reaktion schon verständlich.
Unser Koch sieht recht sauber aus und ich denke wir werden später hier etwas essen. |
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Ebenfalls im Dauerregen laufen
wir auf dem letzten Bahnhof vor der Grenze in
Richtung Zuganfang. Es ist wirklich leer unser Abteil. Irgendwann werden jetzt die
Grenzformalitäten losgehen. Das hält uns aber nicht davon ab, es uns im Schlafsack
bequem zu machen. Charly und ich lesen zur Einstimmung etwas aus der Mongolei vor: von
hiesigen Fettschwanzschafen, Murmeltierbraten und der mongolischen Gleichmütigkeit.
Desweiteren werden die möglichen Routen nochmals diskutiert. Weil wir recht gut in der
Zeit liegen, kristallisiert sich immer mehr die westliche Strecke (Karakorum /
Chorgo-Vulkan ) heraus: Variante 1 der Schreibtischausarbeitung, die längste und
anspruchsvollste. Die mongolischen und russischen Grenzer(-innen) malträtieren uns mit
Formularen, die wir ausfüllen müssen sowie mehrfachem Antreten zur Passkontrolle. Kaum
wieder in den Schlafsack gekrochen, heißt es auch schon wieder: Hose an und Antreten im
Gang. Danach durchsuchen sie unser Abteil. Mit einem Spezialschlüssel wird sogar die
Deckenverkleidung entfernt. Wenn man weiß, dass das Abteil kurz zuvor noch ein großes
Warenlager war, schon verständlich. Was sollen wir mit einer Palette Haargel in der
mongolischen Steppe? |
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