Historisches zum Zielgebiet

Der Kolyma Highway

Seit der russischen Eroberung des Fernen Ostens im 17. Jahrhundert vermutet man reiche Bodenschätze in der Kolyma-Region, grob gesagt dem Gebiet zwischen Lena und Pazifischem Ozean. Der Zugang in dieses Gebiet war seit jeher schwierig. Die ersten Geologen kamen über die klassische Eroberungsroute entlang der Lena nach Jakutsk. Von dort konnte man im Winter per Schlitten weiterreisen. Somit dauerten Reisen, die lediglich die grobe Erkundung der Gegend zum Ziel hatten, oft viele Jahre. Mit Fertigstellung der Transsibirischen Eisenbahn (Anfang des 20. Jahrhunderts) ergab sich eine zweite Anreisemöglichkeit, die gerade für das Erreichen des östlichen Kolyma-Gebietes, erhebliche Zeitersparnis mit sich brachte. Diese Zeitersparnis nutzten nicht nur die zum Erforschen der Bodenbeschaffenheit beschäftigten Wissenschaftler, sondern auch die Organisatoren von Gefangenentransporten.

Galt die im zaristischen Russland ausgesprochene Verbannung von "Staatsfeinden" oft nur bis Mittelsibirien – was trotzdem viele Wochen Fußmarsch bedeutete – so hatte die stalinistische Sowjetunion eine Möglichkeit gefunden, mittels der Transsibirischen Eisenbahn bis Wladiwostok und der anschließenden Schiffspassage nach Magadan, Tausende von Gefangenen relativ schnell bis an die Kolyma-Region zu bringen.

Man stelle sich einmal die psychologische Wirkung dieses Anfahrweges auf die Gefangenen vor: Gab es bei der Verbannung des Zaren zumindest die theoretische Chance zu Fuß nach Westen zu fliehen, schien den Gefangenen im Kolyma-Gebiet der Rückweg durch die lange Eisenbahn- und Schifffahrt regelrecht abgeschnitten. Noch heute fühlen sich die Menschen in Magadan wie auf einer Insel. Man erreicht die Stadt praktisch nur mit dem Schiff oder dem Flugzeug. Magadan, erst in den Dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts gegründet, war aus Sicht der Gefangenen zunächst nur eine riesige Verteilerstation von Menschen; die Minen und Arbeitslager waren noch nicht erreicht. Hierzu musste man eine Straße anlegen, eben die sogenannte "Kolymska trassa".

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Sie wurde direkt durch die Region gebaut, in der damals die größten Vorkommen an Gold, Silber, Kobalt und Zinn vermutet wurden und führte aus strategischen Gründen weiter bis nach Jakutsk. Denn es gab vor und - trotz Nichtangriffspakt – auch während des 2. Weltkrieges die Befürchtung, Japan könne Teile Ostsibiriens besetzen oder zumindest die Schiffspassage durch eine Seeblockade unterbrechen. In solch einem Fall hätte dann die Möglichkeit bestanden, Menschen und Material über die Lena in Richtung Nördliches Eismeer oder in Richtung der Transsibirischen Eisenbahn zu befördern.
Aus wie vielen Nationen die Gefangenen kamen, die unter unmenschlichen Bedingungen in den Dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts die Straße bauten und sie bis in die Fünfziger Jahre instandsetzten, ist unbekannt. Ebenfalls unbekannt ist, wie viele Menschen beim Bau der Straße und in den Lagern zu Tode kamen. Es wird geschätzt, dass es zwischen 500 Tausend und 20 Millionen gewesen sein mussten. Man sagt, dass auf der gesamten Länge von ca. 2000 Kilometern etwa alle drei Meter eine Leiche in der Straße liegt. Daher auch der Beiname "Straße der Knochen". Was es heißt, bei -50 °C mit unzureichender Arbeitskleidung und bei mangelhafter Ernährung zu überleben, ist in Alexander Solschenizyns dreibändigem Werk "Der Archipel Gulag" nachzulesen.
Der Grund für den streckenweisen Verfall des Kolyma Hulighways hat mehrere Gründe. Für das Heranführen von Menschen und das Abtransportieren der gewonnenen Rohstoffe war Magadan einfach die bessere Option. Die strategische Bedeutung (Anbindung der Straße an Jakutsk) ließ schon mit Ende des 2. Weltkriegs nach; und mit dem Tod Stalins (1953) ging auch die mörderische Ausbeutung von politischen- und Kriegsgefangenen zurück.
Die Straße verfiel auf langen Teilabschnitten: insbesondere galt dies für die vielen Brücken, die bedingt durch das extreme Klima und den Eisgang ständig hätten repariert werden müssen. Bis heute hat sich an dem Desinteresse für eine durchgehende Straße nichts geändert. Wirtschaftlich ist die "unabhängige" Republik Sakhar (Jakutien) kaum nach Osten orientiert und Magadan Oblast verschifft seine geförderten "Schätze" natürlich gerne selbst. Zudem haben sich die Minenaktivitäten mit der Zeit weiter in den Nordosten der Kolyma-Region verlagert. Man denkt da eher schon an eine neue Verbindung von Ust-Nera nach Jakutsk (d.h. man baut sie wohl schon) als daran, die alte Trasse wiederzubeleben.

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